Finanzmarktbericht 2021 und Jahresausblick 2022


Ein erkenntnisreiches Jahr liegt hinter der den Aktien-, Anleihen- und Rohstoffmärkten. Eine Zusammenfassung, ein Ausblick und ein Kommentar zum Marktgeschehen:

Anleihen- und Aktienmarkt

Am Jahresanfang dominierte eine große Corona-Welle und der langsame Impfstart die Märkte. Durch die Zusagen der Notenbanken und der Regierungen, im Notfall die Liquiditäts- und Konjunkturhilfen aufzustocken, nahmen die Unsicherheiten der Marktteilnehmer ab und sie wurden risikofreudiger. Ende Januar gab es dann in den Medien nur noch ein Thema: Der Wahnsinn um die Gamestop-Aktie. Kleinanleger kauften wie verrückt die Aktie, damit ein Hedgefonds seine Leerverkaufspositionen aufgeben und sich mit Aktien eindecken muss – ein sog. Short-Squeeze. Von der Presse groß gefeiert, jedoch mit einem bitteren Beigeschmack: Leerverkäufe sind ein wichtiges Instrument, um Übertreibungen am Aktienmarkt entgegenzuwirken. Als Paradebeispiele gelten die Dotcom-Blase oder auch die Immobilien- und Finanzmarktkrise 2008 in den USA. Bei Einzelaktien ist der Fall Wirecard ein Exempel, warum Leerverkäufe so wichtig sind. Durch den Gamestop-Vorfall sind viele Short-Seller deutlich vorsichtiger geworden – die Gefahr von Überbewertungen am Aktienmarkt ist somit gestiegen. Die folgenden Monate von Februar bis Mai waren von fallenden Anleihekursen und steigenden Aktienmärkten geprägt. Gründe für die Umschichtung der Marktteilnehmer waren eindeutig: Die Corona-Welle ist vorüber und die Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf. Jedoch traf der Nachfragesprung auf ein begrenztes Angebot, sodass auch die Inflationsrate angesprungen ist. Im Januar 2021 waren es in den USA noch 1,4 %, im Mai bereits 5 %. Auch in Europa erhöhte sich die Inflation deutlich. Diese Entwicklung wurde bereits im Ausblick des letzten Finanzmarktbericht 2020 vorhergesagt und die Gründe und Folgen ausgiebig erläutert. In den Monaten von Juni bis Oktober gab es ein ausgedehntes Sommerloch mit wenig Bewegung im Markt. Neben dem Dauerthema Inflation und der Frage, wann die Notenbanken reagieren werden, stand vor allem der chinesische Immobilienmarkt im Vordergrund. Die Finanzschwierigkeiten des Immobilienriesen aus China Evergrande weckte bei manch einem Marktteilnehmer Erinnerungen an den Beginn der Finanzmarktkrise 2007/2008 in den USA. Allerdings hinkt der Vergleich mit den damaligen Gegebenheiten, da die chinesische Regierung die Krise bei einigen Immobilienfirmen mit Absicht ausgelöst hat, um den völlig verrückten Immobilienpreisen in vielen Regionen Chinas entgegenzuwirken bzw. etwas Luft aus der Blase zu lassen, bevor sie unkontrolliert platzt. Ab November kam dann wieder Volatilität in die Märkte: Erst gab es ein neues Jahreshoch beim DAX, dann direkt die Gegenbewegung wegen der Sorge vor der neuen Corona-Variante Omikron. Der Dezember stand dann im Zeichen der US-Notenbank: Die Fed kündigte an, dass die Inflation nun doch nicht nur vorübergehend ist (was für eine Überraschung), sondern sich länger halten wird. Warum die Fed und auch die EZB für diese simple Erkenntnis etliche Monate braucht, wirft einige Fragen auf – fehlende Kompetenz oder bewusste Täuschung? So oder so, das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Notenbanken hat 2021 stark gelitten. Die Ankündigung der Fed, bereits im nächsten Jahr den Leitzins voraussichtlich um drei Zinsschritte zu erhöhen und 2023 nochmal zwei bis drei Zinsschritte oben drauf zu packen, wurde am Anleihemarkt nicht wirklich ernst genommen. Nach der Veröffentlichung der Zinserwartung blieb die zehnjährige US-Staatsanleiherendite unverändert auf einem Niveau von 1,4 %.          

Rohstoffe und Kryptowährungen

Die Rohstoffpreise waren der maßgebliche Treiber für den ersten größeren Inflationsschub seit 2007. Vom April 2020 zum April 2021 stieg der Bloomberg Commodity Index, stellvertretend für den gesamten Rohstoffsektor, um 50 % an, der Preis für Brent Oil sogar um 200 %. Durch den Corona-bedingten Lockdown im Dienstleistungssektor gab es einen Boom im Industriesektor, d.h. eine Nachfrageexplosion bei vielen Rohstoffen wie Öl, Gas, Holz und einigen Industriemetallen. Im Energiesektor erreichten die Preise im Herbst ihren Höhepunkt, bevor die Omikron-Unsicherheit für Abverkäufe sorgte und einige Spekulanten ihre Gewinne mitnahmen. Im Krypto-Sektor war 2021 purer Enthusiasmus angesagt. Notenbanken, die Geld ohne Ende auf den Markt werfen, und Regierungen, die sich im Schulden machen gegenseitig übertreffen wollen, führten nicht nur zu Inflation und Kaufkraftverluste vieler Währungen, sondern natürlich auch zur Verschärfung des Anlagenotstands. Bessere Voraussetzungen für Kryptowährungen gab es noch nie und wird es vielleicht nie wieder geben. Dabei war die Wahl der Kryptowährung völlig irrelevant, meist galt die Devise: Je kurioser und spaßiger der Name des Coins (Stichwort: Dogecoin oder auch Shiba Inu-Coin), desto größer die Kursexplosion. Eine objektive Analyse dieser Kursbewegungen macht keinen Sinn, da es sie nicht gibt. Solange die Notenbanken fleißig immer mehr Spielgeld (Liquidität) produzieren und die Regierungen in den USA und Europa das Krypto-Casino nicht mit Regeln und Kontrolle ausstatten wollen, bleibt die Party erhalten. Nur wenn sich irgendwann mal die Politiker Gedanken über den (Un)Sinn und den (fehlenden) Zweck von Kryptos in unserer Volkswirtschaft Gedanken machen, kann es genauso schnell vorbei sein wie es einst angefangen hat. Ob dieser Zeitpunkt schon 2022 erreicht wird, bleibt abzuwarten…

Ein Ausblick auf 2022:

Der Fokus 2022 liegt auf den USA und China. Europa und die Schwellenländer spielen nur eine untergeordnete Rolle für die Märkte. Entscheidend wird sein, wie sich die Inflation in den USA entwickelt und wie die Fed reagieren wird. Es besteht aufgrund der Lohn-Preis-Spirale, höheren Importkosten von Produkten aus China (aufgrund des schwachen US-Dollar im Verhältnis zum chinesischen Yuan) und Lieferengpässen die Gefahr, dass die Inflation nur sehr langsam zurückgeht. Die amerikanischen Bürger machen bereits Druck auf die demokratische Partei und Präsident Joe Biden, dass er die Inflation dämpfen und für stabile Preise sorgen soll. Dieser wird wohl den Druck an den Fed-Präsidenten Jerome Powell, den er kürzlich erst für vier weitere Jahre im Amt bestätigte, weitergeben. Denn Joe Biden befindet sich derzeit im Umfragetief und 2022 stehen wichtige Zwischenwahlen an. Eine restriktivere Geldpolitik der Fed mit einer ersten Zinsanhebung im April und einer zweiten im Juni oder Juli würde den Anleihemarkt ordentlich durchrütteln und die zehnjährigen US-Renditen dürften über die psychologisch wichtige 2 %-Marke springen, vielleicht sogar die 2,2 % in Angriff nehmen. Der große Verlierer wäre der Tech-Sektor: Die Kurse der Highflyer der letzten Jahre, deren Bewertung aktuell sehr sportlich ist, würden konsolidieren und die Investoren dürften in solide Value-Aktien umschichten. Falls die Zinsstruktur steiler wird, d.h. die langfristigen Zinsen stärker steigen als die kurzfristigen Leitzinsen, könnten vor allem Bank-Aktien die Gewinner sein. Der zweite große Schauplatz 2022 wird China sein. Die Corona-Variante Omikron könnte diesmal trotz aller strikten Maßnahmen Chinas Großstädte erreichen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen wären natürlich auch bei den globalen Lieferketten stark zu spüren und würde die bestehende Knappheit einiger Güter in den USA und Europa noch vergrößern. Außerdem sind die Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt in China ungewiss. Isoliert betrachtet ist die Pleite von Evergrande und anderer Immobilienunternehmen zunächst zwar nur ein kleines Ereignis, jedoch dürfen eventuelle Domino- bzw. Sekundäreffekte nicht vergessen werden. Immerhin stecken ca. 75 % des privaten Vermögens der Chinesen in Immobilien. 

Langfristig sollte Chinas Politik im Auge behalten werden. Die Wirtschaft in China hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich verändert – die chinesische Regierung hat die nächste Stufe zur globalen Wirtschafts- und Finanzmacht erklommen. Statt auf einen starken Export und kostengünstige Produktion von alltäglichen Industriegütern zu setzen, will sie seit einigen Jahren zur Weltspitze im Tech-Sektor aufschließen. Die Zeiten von „Copy and Paste“ bzgl. ausländischem Know-How sind vorbei, China will in der eigenen Forschung und Entwicklung der globale Vorreiter sein. Dadurch versucht die Regierung die Wirtschaft unabhängig von Importen aus den USA und Europa zu machen. Insbesondere auf dem Finanzmarkt könnte das neue internationale Zahlungssystem auf Basis der Kooperation mit SWIFT und der Einführung des staatlichen Kryptowährung E-Yuan der erste große Schritt Richtung Unabhängigkeit vom US-Dollar sein. Je stärker Chinas Macht wird, desto größer werden die Streitigkeiten mit den USA. Der Handelskrieg zwischen beiden Mächten wird sich in den nächsten Jahren zuspitzen, die große Frage ist nur, inwieweit die globale Wirtschaft die Konsequenzen spüren wird.

Beitrag weiterempfehlen

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar


Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Hinweise zu unseren Datenschutzbestimmungen

CAPTCHA code