Finanzmarktbericht 2020 und Jahresausblick 2021


Ein turbulentes Jahr liegt hinter der den Aktien-, Anleihen- und Rohstoffmärkten. Eine Zusammenfassung, ein Ausblick und ein Kommentar zum Marktgeschehen:

Anleihen- und Aktienmarkt

Der Aktienmarkt stieg am Jahresanfang, sodass DAX und MDAX neue Allzeithochs markieren konnten. Als Mitte Februar die ersten Corona-Fälle aus Italien bekannt wurden, begann ein rasanter Abschwung. Am Markt für Unternehmensanleihen fielen die Kurse ebenso wie am Aktienmarkt. Insbesondere Unternehmen mit hohem Verschuldungsgrad und fehlender Risikovorsorge standen plötzlich in der Liquiditätsfalle. Jahrelang konnten sie sich aufgrund der expansiven Geldpolitik trotz geringer Eigenkapitalquote und geringer Bonität relativ günstig refinanzieren und nun griffen plötzlich wieder die Gesetze der Marktwirtschaft. Nach dem Ölpreisschock im März brachen die Märkte dann in Panik aus und die Volatilität erreichte den höchsten Stand seit der Finanzmarktkrise. Die Fed reagierte schnell darauf und kündigte an, unbegrenzt Schuldverschreibungen, insbesondere Staats- und Unternehmensanleihen sowie MBS-Papiere (Hypothekenverbriefungen) am Markt aufzukaufen, bis die Refinanzierung für alle Unternehmen „wieder machbar“ ist. Dies führte zu den größten Kursgewinnen innerhalb einer Woche, die der DAX jemals verzeichnet hat. In den darauffolgenden Wochen zogen andere Notenbanken nach und kauften ebenfalls massiv Wertpapiere, um den Markt mit Liquidität zu fluten. Es folgte eine Phase der Unsicherheit, da die Marktteilnehmer nicht wussten, ob sie wegen der historisch expansiven Geldpolitik Aktien kaufen oder aufgrund der Lockdown-Meldungen aus Europa und den USA verkaufen sollten. Nachdem die Regierungen mit historisch großen Rettungspaketen die Unternehmen subventionierten, war allerdings klar, dass die Verluste nicht zu Lasten der Aktionäre und Anleiheinhaber gehen, sondern auf den Staat bzw. die Steuerzahler/-innen abgewälzt werden. Dadurch hat sich eine Erkenntnis durchgesetzt, die auch wichtig für die kommenden Monate und Jahre ist: Im Krisenfall hilft der Staat, d.h. er übernimmt das Risiko, das eigentlich in einer Marktwirtschaft die Aktionäre und Inhaber von Unternehmensanleihen tragen sollten. Durch diese unausgesprochene Bail-Out-Garantie des Staates sinkt die Ausfallwahrscheinlichkeit bei Anleihen von Großkonzernen auf ein Minimum. Damit ist eine Risikovorsorge in Form von Gewinnrücklagen für Krisenzeiten kontraproduktiv für die Aktionäre des Unternehmens. Die Bildung von Rücklagen schmälert die Dividende und das Volumen für Aktienrückkäufe. Und dies senkt die Wahrscheinlichkeit, dass der Staat im Notfall hilft. Denn je geringer die Rücklagen der Unternehmen sind, desto mehr Verluste wird der Staat im Notfall übernehmen, um keinen Abbau von Arbeitsplätzen befürchten zu müssen. Das „Vorbild einer modernen Unternehmensstrategie“ sind US-Firmen wie Boeing, McDonalds, Starbucks, Home Depot oder Philip Morris, die in den vergangenen Jahren trotz geringer Gewinne massiv Geld für Dividendenzahlungen oder Aktienrückkäufe ausgaben, um ihre Aktionäre zu erfreuen – billige Fremdfinanzierung macht es möglich. Dies führte zu negativen Eigenkapitalquoten in der Unternehmensbilanz, d.h. sie weisen mehr Verbindlichkeiten auf der Passivseite als Vermögenswerte auf der Aktivseite aus. So entsteht die kuriose Situation, dass Unternehmen bilanztechnisch völlig überschuldet sind, gleichzeitig an der Börse eine dreistellige Milliardenbewertung genießen.

Rohstoffe und Kryptowährungen

Edelmetalle haben ebenfalls ein volatiles Jahr hinter sich. Nach Kursgewinnen Anfang des Jahres folgte der Absturz im März aufgrund des Ölpreisverfalls und eines sogenannten Deleveraging auf dem gesamten Asset-Markt, ehe die Kurse Ende März wieder nach oben sprangen. Nach der Staatsverschuldungsorgie und der Liquiditätsflut der Notenbanken in den folgenden Monaten stiegen die Kurse kontinuierlich an, ehe sie in eine Seitwärtsbewegung bis Jahresende übergingen. Im Gegensatz dazu sprangen die Kurse der Kryptos erst in der zweiten Jahreshälfte so richtig an. Wenn das Misstrauen gegenüber Fiat-Währungen und dem Staat wächst, schlägt die Stunde von Bitcoin, Ethereum und den sonstigen Kryptos. Diesmal sind es nicht nur kleine, private Zocker, sondern vor allem Fonds und Vermögensverwaltungen, die sich eingedeckt haben. Durch die Ankündigung Paypals, Kryptowährungen für jeden ihrer Kunden zugänglich zu machen, schufen sie noch die optimale Kursfantasie für die Zukunft. Die einzige Frage bleibt, wie lange die Staaten bei diesem Treiben nur zuschauen werden. Das staatliche Geldmonopol ist das Non-plus-ultra unseres Systems. Wenn der Bitcoin zur Konkurrenz heranwachsen würde, wäre es quasi unvermeidlich für die Regierungen, die Konkurrenz das Fürchten zu lehren. Daher sollte jedem Inhaber von Kryptowährungen klar sein: Die Chancen auf noch höhere Kurse mögen kurzfristig vorhanden sein, aber mittelfristig kann es auch zu einem Crash kommen. Krypto-Trading war, ist und bleibt eine beliebte Zockerei, aber keine langfristige und werthaltige Anlage.

Ein Ausblick auf 2021:

Letztlich ist eine Erkenntnis für die Zukunft nochmals hervorzuheben: Die Notenbanken und Regierungen sind zu allen Maßnahmen bereit, um die Finanzmärkte zu stützen. Die Risiken der Inhaber von Aktien und Anleihen werden somit auf die Staatsapparate und damit auf die Allgemeinheit übertragen. Dies bietet grundsätzlich Chancen für Aktionäre. Der Satz „Aktien sind die neuen Anleihen“, der in den Jahren nach der Finanzmarktkrise aufgrund des sogenannten Notenbank-Puts geprägt wurde, scheint aktueller denn je. Trotz allem sollten die Risiken nicht völlig außer Acht gelassen werden. Die von den Notenbaken und vielen Ökonomen herbeigesehnte Inflation bei den Verbraucherpreisen kann sehr schnell zum Bumerang werden. Nach den aktuellen Schätzungen der Fed soll die durchschnittliche Inflation in den USA 2021 lediglich knappe 2 % betragen. Dieses Prognose wird von einigen Ökonomen nicht geteilt. Höhere Inflationsraten könnten die Notenbanken in Zugzwang bringen, ihre Geldpolitik neu zu justieren. Denn der aktuell ohnehin schon schwache US-Dollar würde bei höheren Inflationsraten und einem Nullzinsniveau erheblich unter Druck geraten. Dies würde wohl genau wie 2011 (hohe Inflation, expansive Geldpolitik der Fed) die Spekulanten am Markt in die Rohstoffpreise treiben, was wiederum die Inflation begünstigt. Die großen Verlierer wären in dem Fall die Anleihemärkte. Insbesondere die Langläufer müssten dann größere Kursverluste hinnehmen.

Doch Geld- und Finanzpolitik sind mehr als nur Einflussfaktoren auf Asset-Märkte. Denn so mancher Ökonom dürfte zuletzt den Eindruck gewonnen haben: „Die freie Marktwirtschaft ist tot, es lebe der planwirtschaftliche Kapitalismus“. Die aktuelle Interpretation der Modern Monetary Theory geht immer weiter in die Richtung, dass Staatsschulden in eigener Währung irrelevant sind, da das Geld in beliebiger Höhe aus dem Nichts produziert werden kann. Die volkswirtschaftlichen Theorien der letzten Jahrzehnte werden nicht nur verworfen, sondern direkt in das Gegenteil verkehrt. Je mehr Schulden Bürger, Unternehmen und der Staat machen, desto besser. Negative Zinsen im Anleihesektor führen dazu, dass die Schuldenaufnahme sogar prämiert wird. Unternehmen, die Risikovorsorge betreiben und viel Eigenkapital vorhalten, sind quasi selber schuld - ebenfalls die klassischen Sparer, die in konservative Altersvorsorgeprodukte investieren oder sogar ihr Geld auf dem Sparbuch, Tagesgeld- oder Girokonto liegen lassen. Als endgültige, symbolische Geste, dass auf die klassischen Sparer von Seiten der Bundesregierung keinen Wert gelegt wird, bekam Anfang des Jahres der langjährige EZB-Präsident Mario Draghi, der die expansive Geldpolitik in die Wege geleitet hat, das Bundesverdienstkreuz verliehen. Ob dies nötig war, sei dahingestellt und nicht weiter wichtig. Viel entscheidender ist die Frage, ob das System des neuen Turbo-Kapitalismus nachhaltig ist. Oder etwas provokanter formuliert: Sind die Volkswirte, Regierungsvertreter und Notenbankpolitiker der letzten Jahrzehnte zu dumm gewesen, um zu erkennen, dass einfach nur die Gelddruckmaschine angeschmissen werden muss, um Wirtschafts- und Finanzkrisen schnell zu überstehen? Und warum gehen wir nicht ein Schritt weiter und führen ein Grundeinkommen ein, finanziert durch frisches Geld der Notenbank. Wohlstand durch die Druckerpresse, einfach so… was die längerfristigen Probleme der aktuellen Politik des Gelddruckens wurde bereits in einem Blogbeitrag Ende Juni ausführlich erläutert. Einige Ökonomen kritisieren daher die Politik des billigen Geldes als kurzfristige Symptombehandlung von tiefgreifenden, strukturellen Problemen, wie z.B. Professoren in wissenschaftlichen Arbeiten und Chefökonomen privater Institute in bekannten Zeitungen. Um den wichtigsten Punkt zu nennen: Es kommt zu einer Asset Price Inflation, der Inflation bei Sachwerten. Die Alternativlosigkeit der Anleger hat nun schon einen eigenen Begriff bekommen: TINA (There is no Alternative). Dadurch entsteht eine Umverteilung des Vermögens von den Mietern und konservativen Sparer hin zu den Aktien- und Immobilienbesitzern. Die ungleiche Vermögensverteilung begünstigt Wutbürgertum und politischen Extremismus, welcher oftmals nicht auf einer bestimmten Ideologie aufbaut, sondern rein eine Protestbewegung gegen das „Establishment“ darstellt. Dies zeigte sich bereits in den vergangenen Jahren als populistische und nationalistische Regierungschefs wie Donald Trump, Boris Johnson, Jair Bolsonaro, Beppe Grillo und noch einige fragwürdige Politiker mehr an die Macht kamen. Die Risiken in der Zukunft liegen im Zusammenhalt unserer Gesellschaft, sowohl global als auch auf europäischer Ebene. Wenn im März und April die Verbraucherpreisinflation (aufgrund des Basiseffektes bei den Rohstoffpreisen) anziehen wird, werden die „kleinen Bürger“ noch mehr belastet und die Stimmung droht auch nach dem Abflauen der Pandemie bei vielen nicht wirklich besser zu werden. Die ersten Jahre dieses Jahrzehnts könnten ein wichtiges Kapitel in den Geschichtsbüchern einnehmen. Mögen uns diese gut gelingen.

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