Sozialregress bei Immobilien: Welche Rechte hat das Sozialamt im Pflegefall?


In der Generationenberatung werden im Zuge der späteren Steuerersparnis oftmals zu Lebzeiten bereits Schenkungen an die eigenen Kinder vorgenommen. Bei einem Freibetrag von 400.000 € pro Elternteil kann jedes Kind alle 10 Jahre ein Vermögen von 800.000 € steuerfrei von den Eltern übertragen bekommen. Wenn Immobilienvermögen verschenkt wird, kann der Betrag durch die Eintragung von Nießbrauchrechten oder Wohnrechten zugunsten des Schenkers noch deutlich erhöht werden. Daher wird dieses Vorgehen im Falle von größeren Immobilienvermögen in der Praxis häufig genutzt. Doch was passiert, wenn die Eltern längerfristig in das Pflegeheim müssen und die entstehenden Kosten vom vorhandenen Vermögen nicht mehr gedeckt werden können?

Die Rechtslage ist komplex und der Einzelfall ist letztlich entscheidend für die richtige Beurteilung und eventuelle Ansprüche seitens des Sozialamtes. Im Folgenden werden verschiedene Problemstellungen auf Grundlage bereits getroffener BGH-Urteile kurz erläutert.

Zunächst muss geklärt werden, warum das Sozialamt im Pflegefall einen Anspruch haben könnte, dass eine Schenkung zurückgegeben wird. Eine Schenkung ist eine unentgeltliche Zuwendung des Schenkers an den Beschenkten, d.h. das zivilrechtliche Eigentum geht ohne Gegenleistung an den Beschenkten über. Nach § 528 BGB kann der Schenker jedoch eine vollzogene Schenkung zu einem späteren Zeitpunkt rückgängig machen, wenn bei dem Schenker eine Verarmung vorliegt. Da der Begriff „Verarmung“ relativ unkonkret ist, hat der Gesetzgeber eine Definition getroffen, in der eine Verarmung dann vorliegt, wenn der Schenker nicht mehr in der Lage ist, seinen angemessenen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren.

Szenario 1: Vater schenkt ein Jahr bevor er in das Pflegeheim muss, seinen Kindern die selbstgenutzte Immobilie. Sein Einkommen ist gering und das restliche Vermögen ist sehr überschaubar.

Sobald sein Vermögen zur Deckung der Pflegekosten aufgebraucht ist, wird das Sozialamt auf die Schenkung der Immobilie gegenüber den Kindern zurückgreifen und einen Anspruch zur Deckung der Pflegekosten mit dem Schenkungswert geltend machen. Nun müssen die Kinder nicht sofort die Immobilie verkaufen. Die Verpflichtung der Kinder zur Rückübertragung der Schenkung besteht nämlich nur insoweit, wie der Vater seine Kosten für den Lebensunterhalt abdecken muss. Dies bedeutet, dass die Kinder lediglich die monatlichen Kosten begleichen müssen, die nach Abzug der Leistung der Pflegeversicherung und des Einkommens des Pflegebedürftigen noch verbleiben. Wenn die Gesamtkosten bei 4.000 € liegen und die Pflegeversicherung und das reguläre Einkommen des Pflegebedürftigen insgesamt 3.000 € davon abdeckt, dann müssen die Kinder die verbleibenden 1.000 € aufbringen. Die Kinder sind also nicht zur Rückgabe der Immobilie selbst verpflichtet, sondern sie müssen lediglich den Wertersatz leisten, indem sie die monatlichen nicht gedeckten Kosten der Heimunterbringung selbst zahlen. Die Summe der Zahlungsverpflichtungen der Kinder ist dabei auf den Schenkungswert der Immobilie begrenzt.

Szenario 2: Vater schenkt 11 Jahre bevor er in das Pflegeheim muss, seinen Kindern die selbstgenutzte Immobilie. Als er zum Pflegefall wird und in das Pflegeheim muss, ist sein Einkommen gering und das restliche Vermögen sehr überschaubar.

Das Sozialamt hat kein Anspruch auf die Rückgabe der Schenkung. Der Anspruch endet 10 Jahre nach der erfolgten Schenkung.

Szenario 3: Vater schenkt 11 Jahre bevor er in das Pflegeheim muss, seinen Kindern die selbstgenutzte Immobilie. Er lässt sich aber ein lebenslanges Nießbrauchrecht in das Grundbuch eintragen. Als er zum Pflegefall wird und in das Pflegeheim muss, ist sein Einkommen gering und das restliche Vermögen sehr überschaubar.

Auch hier gilt grundsätzlich: Das Sozialamt hat kein Anspruch auf die Rückgabe der Schenkung. Der Anspruch endet 10 Jahre nach der erfolgten Schenkung.

Anzumerken ist: Das lebenslange Nießbrauchrecht bleibt auch bei Einzug in das Pflegeheim bestehen. Falls ein Teil der Immobilie vermietet ist oder nach Auszug vermietet wird, sind die Mieteinnahmen reguläre Einkünfte des Nießbrauchinhabers und werden in der Regel vom Sozialamt für die Deckung der Pflegekosten übergeleitet. Der Eigentümer (das beschenkte Kind) ist aber nicht verpflichtet, nach Aufforderung des Sozialamtes die dem Nießbrauch unterliegenden Räumlichkeiten zu vermieten. Letztlich muss sich das Sozialamt bei einem übergeleiteten Nießbrauch selbst um die Vermietung kümmern (OLG Köln, Beschluss vom 24.06.2011, Az. 11 U 43/11). Der Nießbrauch bringt allerdings nicht nur Rechte auf die Einnahmen, sondern auch Pflichten zur Instandhaltung mit sich. Wenn das Sozialamt die Ansprüche und damit die erwirtschafteten Erträge aus dem Nießbrauch auf sich überleitet, muss es auch alle gewöhnlichen Instandhaltungskosten übernehmen. Dies sind die Kosten, die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und regelmäßig (wiederkehrend) innerhalb kürzerer Zeitabstände zu erwarten sind. Dazu gehören normale Verschleißreparaturen, nicht aber außergewöhnliche Reparaturen wie eine Kernsanierung des Hauses oder eine neue Elektroinstallation. Diese sind vom Eigentümer zu tragen, der die Arbeiten beauftragt.

Szenario 4: Vater schenkt 11 Jahre bevor er in das Pflegeheim muss, seinen Kindern die selbstgenutzte Immobilie. Er lässt sich aber ein lebenslanges Nießbrauchrecht in das Grundbuch eintragen. Als er zum Pflegefall wird und in das Pflegeheim muss, ist sein Einkommen gering und das restliche Vermögen sehr überschaubar. Um seinen Kindern den vollen Zugriff auf die Immobilie zu gewähren, lässt nun das Nießbrauchrecht im Grundbuch streichen.

Auch hier gilt grundsätzlich: Das Sozialamt hat kein Anspruch auf die Rückgabe der Schenkung. Der Anspruch endet 10 Jahre nach der erfolgten Schenkung. Jedoch gilt dies nicht für den Kapitalwert des Nießbrauchrechts, welches er mit Umzug in das Pflegeheim streichen lässt. Der Verzicht auf einen Nießbrauch führt zu einer Schenkung, die vom Sozialamt übergeleitet werden kann und zum Schenkungsregress berechtigt (Urteil des OLG Köln vom 09.03.2017). Der Tag der Streichung des Nießbrauchrechts ist für die Berechnung des Kapitalwerts entscheidend. 

Szenario 5: Vater schenkt 11 Jahre bevor er in das Pflegeheim muss, seinen Kindern die selbstgenutzte Immobilie. Er lässt sich aber ein lebenslanges Wohnrecht in das Grundbuch eintragen. Als er zum Pflegefall wird und in das Pflegeheim muss, ist sein Einkommen gering und das restliche Vermögen sehr überschaubar.

Beim Wohnrecht kann das Sozialamt lediglich bestehende Zahlungsansprüche aus dem Wohnrecht geltend machen, wenn der Eigentümer den Wohnberechtigten die Vermietung an Dritte gestattet hätte (§ 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei Leerstand, Selbstnutzung durch den Eigentümer oder Überlassung an nahe Angehörige (BGH, Urteil vom 09.01.2009) bestehen keine Ansprüche eines Wertersatzes seitens des Sozialamts.

Selbst bei einer Fremdvermietung der von dem Wohnungsrecht unterliegenden Räumlichkeiten durch den Eigentümer ist gemäß einiger Gerichtsurteile der Mieterlös nicht an das Sozialamt abzugeben (OLG Hamm, Urteil vom 28.09.2009; OLG Köln, Beschluss vom 25.06.2014). Der Bundesgerichtshof begründete dies in einem Fall 2012 damit, dass dem Wohnungsberechtigten (Sozialamt) die Einnahmen schlichtweg nicht zustünden. Somit bestünde auch keine Bereicherung des Eigentümers auf Kosten des Wohnungsberechtigten (vgl. BGH Urteil vom 13.07.2012).

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