Aktien, Anleihen und Edelmetalle: Wie weit können die Kurse noch steigen?
Für breit gestreute Investoren am Kapitalmarkt waren die ersten 8 Monate des Jahres 2024 ein wahres Freudenfest. Die Leitindizes der großen Aktienmärkte in den USA und Europa sind kräftig gestiegen. Der S&P 500 kletterte in diesem Jahr bereits um 18,6 %, d.h. der Börsenwert der 500 größten Unternehmen der USA erhöhte sich innerhalb von 8 Monaten um 17,4 Billionen $ (Stand: 27. August 2024). Der DAX machte immerhin 11,5 % an Boden gut, wobei insbesondere das DAX-Schwergewicht SAP den KI-Boom für sich nutzen konnte und mit einem Plus von 42,5 % dem deutschen Leitindex auf die Sprünge half. Viele andere DAX-Unternehmen spüren dagegen den Gegenwind der schwachen deutschen Wirtschaft und weisen eine eher maue Performance in 2024 auf. Die Anleihemärkte sind nach einer Schwächeperiode bis Ende Mai in den Sommermonaten so richtig in Fahrt gekommen. Die nachlassende Dynamik der US-Wirtschaft sowie die zunehmenden Konflikte im Nahen Osten trieben viele Anleger in den vermeintlich sicheren Hafen der Staatsanleihen. Davon konnte auch der Goldpreis profitieren. Fallende Zinsen und geopolitische Konflikte sind eine gute Grundlage für steigende Edelmetallpreise. Jedoch dürfte der größte Effekt aus fernen Osten kommen: In China kauft nicht nur die People Bank of China (Zentralbank Chinas) massiv Gold ein, um sich vom US-Dollar als dominante Weltreservewährung zu lösen. Auch die privaten Haushalte zeigen eine hohe Nachfrage. Der Grund liegt in dem fehlenden Vertrauen in die eigene Wirtschaftspolitik. Das Platzen der Immobilienblase in den letzten Jahren und die zunehmenden Handelskonflikte mit den USA und weiteren Ländern haben den jahrzehntelangen Konjunkturboom abgewürgt und das Vertrauen der inländischen und ausländischen Investoren sinken lassen. Die demografische Entwicklung in China macht die Herausforderung für die Regierung umso größer. Daher investieren die Bürger in China lieber in Gold statt in Aktien oder Immobilien.
Die entscheidende Frage lautet nun: Werden die Aktien-, Anleihen- und Edelmetallmärkte auch weiterhin im Rallye-Modus verharren? Dazu müssen die einzelnen Märkte genauer betrachtet werden.
Aktienmarkt: Die großen Kurssprünge am Markt basierten in den vergangenen Monaten vor allem auf einer nachlassenden Inflation mit der Hoffnung auf Leitzinssenkungen sowie dem Hype um das Thema „Künstliche Intelligenz“. Die Zinssenkungsfantasie hat mit der Ankündigung der US-Notenbank, die Zinsen bald zu senken, ihren Zenit erreicht. Oder einfacher ausgedrückt: Jeder, der aufgrund fallender Leitzinsen in den Aktienmarkt investieren wollte, ist bereits investiert. Nun dürften sich viele Investoren fragen, ob die bald sinkenden Leitzinsen auch eine Kehrseite haben. Die Zinswende kommt nur dann in großen Schritten, wenn die US-Wirtschaft in eine Krise gerät. Diese anbahnende Rezessionsgefahr hat bereits Anfang August die Aktienmärkte kurz mal in den Keller geschickt und insbesondere den „Yen-Carry-Tradern“ teilweise große Liquiditätsprobleme bereitet (Stichwort Margin-Call). Die Risiken für die US-Wirtschaft und für die Quartalsbilanzen der Unternehmen werden aufgrund der steigenden Kreditausfälle im Konsumbereich (Kreditkartenschulden und Autokredite) sowie der steigenden Arbeitslosigkeit in den nächsten Monaten mehr in den Fokus der Marktteilnehmer rücken. Dadurch werden die Inflationsdaten und das Zinsniveau in den Hintergrund treten und nicht mehr als nachhaltiger Rallye-Treiber dienen. Auch der KI-Hype könnte langsam zum Problem für die Märkte werden. Denn noch immer stellt sich die Frage, was das gewinnbringende KI-Endprodukt für den privaten Haushalt sein soll. Die großen Gewinne von NVIDIA und Co. basieren auf dem B2B-Geschäft, d.h. auf riesigen Investitionen der Big-Tech-Unternehmen. Doch wenn sich diese Investitionen beim Endkunden nicht auszahlen werden, dann werden die Unternehmen schnell wieder zurückrudern und die KI-Euphorie endet ähnlich wie bei der Dot-Com-Blase um die Jahrtausendwende erstmal in einer Depression. In der Regel brauchen revolutionäre Technologien einige Jahre bis Jahrzehnte, um das ganze Gewinnpotential auszureizen (siehe Dot-Com-Blase und die Entwicklung des Internets in den letzten zwei Jahrzehnten).
Anleihemarkt: Der Anleihemarkt hat in den USA in den letzten Monaten eine Wende unternommen. Aus der selbstbewussten Annahme, dass die hohen Zinsen die Wirtschaft und Inflation nicht signifikant bremsen werden (bis Ende Mai), wurde plötzlich die Angst, dass die US-Wirtschaft schon mit einem Bein in der Rezession steckt und die Fed viel zu lange die Zinsen hochhält (Anfang August). Der vernünftige und nüchterne Blick auf die Wirtschaft zeigt, dass die aktuelle Wirtschaftsdynamik nachlässt und eine Stagnation in den nächsten Quartalen bevorstehen könnte. Aber bisher gibt es nur bei den Ausfallraten der Konsumkredite Rezessionssignale. Der Markt hat daher aktuell sehr viele Zinssenkungen für die nächsten 12 Monate eingepreist. Laut Fed-Watch-Tool liegt die Median-Schätzung bzgl. der Fed Funds Rates für Mitte September 2025 bei ca. 3,25 % (Stand 27.08.2024). Momentan befinden sich die Leitzinsen noch bei 5,25 % bis 5,5 %. Für weitere Zinssenkungsfantasien bräuchte es eindeutige Signale, dass sich die Lage auf dem US-Arbeitsmarkt signifikant verschlechtert. Ab Oktober dürfte auch der US-Präsidentschaftswahlkampf immer mehr Einfluss auf die Anleihekurse bzw. die Zinserwartungen nehmen. Ein möglicher Sieg der Republikaner könnte die Anleihekurse wieder Richtung Süden schicken und die Renditen steigen lassen.
Gold: Die Ausgangslage für das Edelmetall könnte kaum besser sein. Die hohe physische Nachfrage aus China seitens der Notenbank wie auch von den privaten Haushalten sorgt dafür, dass kurzzeitige Rücksetzer sofort als günstige Kaufgelegenheiten gewertet werden. Nun kommen auch noch die Ankündigungen von Zinssenkungen und ernüchternde Wirtschaftsdaten aus den USA hinzu. Der Ukraine-Krieg und der ausufernde Nahost-Konflikt erhöhen ebenfalls das Sicherheitsbedürfnis der Investoren. Gold bleibt seinem Ruf als Krisenwährung und „Anti-US-Dollar“ treu. Die Frage lautet, inwieweit die Lage bereits im aktuellen Kurs vollends eingepreist ist und welche Chancen auf weitere Kurssprünge noch vorhanden sind. Dabei wird sich der Blick der Investoren auf die USA richten. Falls die US-Wirtschaft in eine richtige Rezession rutscht und sich die Staatsverschuldung in dem aktuellen Tempo weiter erhöht, dürfte das Vertrauen der Marktteilnehmer in den US-Dollar immer geringer werden. Dann könnte der Goldpreis einen weiteren Schub erhalten. Falls sich die US-Wirtschaft jedoch wieder verbessert und die erwarteten, großen Zinssenkungen in 2024 und 2025 ausbleiben, dann könnte auch erstmal eine Korrektur eintreten. Langfristig bleiben die Aussichten weiter positiv.
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