Verändertes Konsumverhalten durch die Inflation


Laut einer aktuellen Studie liegt die gefühlte Inflation, d.h. die von den Bürgern wahrgenommene, durchschnittliche Preissteigerung, in Deutschland bei 18 %. Damit übertrifft sie die aktuell gemessene Inflationsrate um das Dreifache. Die Gründe für die Diskrepanz sind vielfältig: Auf der einen Seite nehmen die Menschen Preissteigerungen des täglichen Bedarfs wie Lebens- und Genussmittel sowie Energie deutlich mehr wahr als Preiserhöhungen langlebiger Wirtschaftsgüter. Auf der anderen Seite wird die Messung des Verbraucherpreisindex durch die Verwendung der hedonischen Methode zur Berücksichtigung von Qualitätsverbesserungen und die hohe Gewichtung der Nettokaltmiete (laut VPI nur 2 % Preissteigerung) maßgeblich beeinflusst. Zudem bleiben die einzelnen Erlebnisse besonders hoher Preiserhöhungen im Gedächtnis der Menschen haften und bekommen daher auch eine hohe Gewichtung für die gefühlte Inflation. Wichtig für die Wirtschaft sind allerdings nicht die Gründe für die Abweichungen zwischen gemessener und gefühlter Inflation, sondern vielmehr die Konsequenzen, die die deutschen Bürger für ihr Kaufverhalten ziehen.

Mittlerweile gibt es verschiedene Studien, die sich mit diesem Thema befasst haben. Hier die wesentlichen Aussagen von drei aktuellen Studien bzw. Umfragen:

  • Studie des Vergleichsportals Capterra zum Kaufverhalten: Ganze 81 % der Deutschen haben ihr Kaufverhalten durch die Inflationswelle geändert. Die meisten Deutschen sparen demnach bei den Ausgaben für Kleidung (64 %) und Lebensmittel (62 %). Beim großen medialen Thema des Winters, dem Energieverbrauch, sind lediglich 52 % bereit, bewusste Einsparungen zu tätigen. Dafür haben Schnäppchenjäger wieder Hochsaison in Deutschland. 70 % sind häufig auf der Suche nach Preisnachlässen und 61 % nutzen vermehrt Rabatt-Coupons. Die Studie wurde auch in Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien durchgeführt: In allen Ländern liegt der Anteil der Menschen, die ihr Konsumverhalten verändert haben, über 80 %. Dabei ist bedenklich, dass ca. die Hälfte der Bürger aufgrund der Inflation weniger nachhaltige Produkte kauft – food for thoughts für die europäischen Regierungen.
  • Der „Global Consumer Pulse Survey“ von Deloitte: Die Umfrage zielte auf den Speiseplan der Deutschen ab. Dabei hat ein Viertel der befragten Deutschen hat ganze Produktgruppen aus ihrem gewöhnlichen Einkauf gestrichen und sich auf Grundnahrungsmittel beschränkt. Zudem meinen 44 %, dass sie den Konsum von verderblichen Lebensmitteln, die eventuell weggeschmissen werden, reduzierten. Bei 37 % fand ein Austausch von teuren Markenprodukten hinzu relativ billigen Eigenmarken statt. Die aktuelle Sparsamkeit ist interessant, da die Deutschen im Vergleich zu den europäischen Nachbarn traditionell weniger Geld für Lebensmittel ausgeben. Bereits vor der Inflationswelle waren es lediglich 15 % der monatlichen Gesamtausgaben.
  • Der „Spar-Report“ der Vergleichsplattform Idealo: 45 Prozent der Befragten gaben an, sich gelegentlich Dinge zu gönnen, die sie eigentlich als zu teuer empfinden. Dabei sind vor allem junge Menschen nicht bereit, ihren Konsum einzuschränken, nur weil sich die Preise erhöht haben. Gleichzeitig müssen 75 % ihre monatlichen Finanzen im Blick behalten, um nicht zu viel Geld auszugeben. 61 % machen sich Gedanken darüber, dass ihr Einkommen bald nicht mehr reichen könnte und 57 % haben das Gefühl, dass sie sich ihr bisheriges Leben finanziell nicht mehr leisten können. Auch beim Thema Altersvorsorge denkt jeder zweite Bürger, dass er eh nicht genug sparen kann und es daher keinen Sinn hat, damit anzufangen. Beim Konsumverzicht spart jeder Zweite bei Bekleidung & Accessoires, Elektronik sowie Hobby- und Freizeitbedarf.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Inflation viele deutsche Haushalte in ihrem Konsumverhalten verändert hat und die Besorgnis zunimmt, dass das regelmäßige Einkommen nicht mehr ausreicht, um den aktuellen finanziellen Lebensstil längerfristig zu halten. Dies deckt sich auch mit den statistischen Ergebnissen zur Reallohnentwicklung. Demnach sind die deutschen Reallöhne seit dem Beginn der Corona-Krise Jahr für Jahr negativ. Große Wachstumsimpulse für die deutsche Wirtschaft sind durch die Kaufkraftverluste in den nächsten Monaten nicht zu erwarten - erst recht nicht vor dem Hintergrund, dass die Konsequenzen der EZB-Leitzinserhöhungen im Herbst oder Winter langsam die Konjunktur erfassen dürften. Jedoch besteht die Hoffnung, dass mit dem Wirtschaftsabschwung trotz aktuell hoher Tarifabschlüsse bei den Gewerkschaften die Inflation an Dynamik verlieren wird. Gleichzeitig liegt aufgrund der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels die Vermutung nahe, dass trotz Rezession der deutsche Arbeitsmarkt relativ robust bleiben wird. Die langfristige Perspektive für den Wohlstand der deutschen Haushalte könnte daher besser ausfallen, als es derzeit Ökonomen und Finanzexperten suggerieren.

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