Immobilienpreise fallen – Anfang des großen Abschwungs?


Die Immobilienpreise in Deutschland sind im vierten Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahr um 3,6 % gefallen. Dies stellt den stärksten Rückgang seit 2007 dar. Im Vergleich zum dritten Quartal sanken die Preise sogar um 5,0 %. Die hohen Bauzinsen und die restriktivere Kreditvergabe der deutschen Banken führen zu einer deutlich geringeren Nachfrage und mehr Verhandlungsmacht auf der Käuferseite. Doch ist dieser aktuelle Trend erst der Anfang eines großen Abschwungs oder lediglich eine kurze, notwendige Korrektur der Übertreibungen in den letzten Jahren?

Die Argumente für fallende Preise liegen auf der Hand: Die hohen Bauzinsen in Kombination mit hohen Immobilienpreisen sind für die potentiellen Eigenheimkäufer nicht mehr zu stemmen. Dementsprechend ist laut einer aktuellen Analyse der durchschnittliche Tilgungssatz von 2,74 % im Februar 2022 auf nur noch 1,93 % im Februar 2023 gesunken. Gleichzeitig fiel die durchschnittliche Darlehenshöhe von 307.000 € auf 280.000 €. Die hohen monatlichen Raten und die gestiegenen EK-Anforderungen fallen in eine Zeit, in der die Kaufkraft der deutschen Privathaushalte durch die Inflation bereits deutlich geschwächt ist. Die Reallöhne sind in den Jahren 2020 bis 2022 gefallen, d.h. die Nominallöhne lagen jeweils unter der Inflationsrate. Dies verschlechtert sowohl die Haushaltsrechnung als auch den Eigenkapitalaufbau. Auch die Immobilieninvestoren haben sich reihenweise zurückgezogen. Das Motto „wenig Eigenkapital, hohe Leverage-Effekt“ ist bei den aktuellen Darlehenszinsen und Mietrenditen Schnee von gestern. Stattdessen sind viele mit ihrem Liquiditätsmanagement beschäftigt, um bei kommenden Anschlussfinanzierungen keine Probleme zu bekommen.

Bei der Vielzahl an negativen Aspekten, die den Markt aktuell belasten, gibt es auch einige Anzeichen für eine mittelfristige Stabilisierung der Preise. Die hohen Baukosten und die hohen Zinsen führen zu einem Auftragseinbruch und einer Stornierungswelle bei den Wohnungsneubauten. Im Hinblick auf hunderttausende Ukrainer, die nach Deutschland geflohen sind, und der regelmäßigen Zuwanderung ist eine Wohnungsknappheit, insbesondere in den Ballungsgebieten, schon vorprogrammiert. Die Nachfrage nach Mietwohnungen wird immer größer, sodass die Mietpreise in besonders beliebten Städten wie Berlin (27 %-Anstieg in kurzer Zeit) oder München (21 %-Anstieg des Mietspiegels innerhalb 2 Jahre) förmlich explodieren. Als Resultat von fallenden Immobilienpreisen und steigenden Mieten erhöhen sich die Mietrenditen, was die Nachfrage von Seiten der Investoren spätestens im nächsten Jahr wieder spürbar vergrößern dürfte. Erst recht vor dem Hintergrund, dass Immobilien als langfristiger Inflationsschutz bei deutschen Investoren sehr beliebt sind. Auch von Seiten der Eigenheiminteressenten könnte sich im Lauf des Jahres eine höhere Nachfrage einstellen, denn das Einkommen der privaten Haushalte wird steigen. Die aktuellen Tarifverhandlungen und auch bereits erzielte Abschlüsse haben ein deutliches höheres Niveau als in den vorangegangenen Jahren und dürften für viele Arbeitnehmer die inflationsbedingten Mehrausgaben überkompensieren. Auch die Gehaltssteigerungen außerhalb der Gewerkschaften sollten aufgrund des engen Arbeitsmarktes und des Fachkräftemangels in vielen Branchen üppig ausfallen.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass nach aktuellem Stand kein langanhaltender Abschwung zu erwarten ist. Falls die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt in den kommenden Jahren an Schwung gewinnen, dürften die Einkommen und die Mieten ansteigen. Falls die Rezession eintritt, werden die Zinsen fallen. In beiden Fällen dürfte der Immobilienmarkt in Deutschland längerfristig zumindest stabil bleiben.

 

 

 

 

 

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