Finanzmarktbericht 2022 und Ausblick 2023


Anleihemarkt

2022 wird als Jahr des "Zinsschocks" in die Geschichte eingehen. Seit Anfang der 80er gab es in der Geldpolitik der US-Notenbank kein einziges Jahr mehr, in dem die Fed Funds Rates so massiv erhöht wurden. Bis Mitte März lag die Spanne noch bei 0 % - 0,25 %, im Dezember wurde sie auf 4,25 % - 4,5 % erhöht – 425 Basispunkte in nur 9 Monaten! Auch die EZB hat seit Ende Juli die Zinsschraube deutlich angezogen und hat den Hauptrefinanzierungssatz von 0 % auf 2,5 % sowie den aktuell wichtigen Einlagensatz von -0,5 % auf 2,0 % angehoben. Dementsprechend haben die Anleihemärkte 2022 die schlechteste Performance in den letzten Jahrzehnten hingelegt: Der Bund-Future hat mehr als 22 % Verlust generiert. Die 10-jährige Rendite der Bundesanleihen ist bis zum Jahresende auf 2,5 % gestiegen. Die 10-jährige Rendite der US-Staatsanleihen hatte ihren Höhepunkt mit 4,3 % im Oktober, ehe sie aufgrund der nachlassenden Inflation wieder gesunken ist und sich erst zum Jahresende wieder auf knapp 3,9 % erhöhte. Der Spread zwischen deutschen und US-Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit verringerte sich von 1,8 % am Jahresanfang auf 1,4 % am Jahresende, obwohl die Fed den Leitzins deutlich stärker anhob als die EZB, d.h. der Spread bei den kurzfristigen Renditen deutlich gestiegen ist.

 

Aktienmarkt

Der Aktienmarkt verbuchte durch ein fulminantes letztes Quartal in der Jahresbetrachtung nur einen relativ moderaten Verlust. Der DAX verlor 12,3 % bis Jahresende 2022, der Dow Jones in New York 8,8 %. Lediglich die Small- und Mid-Caps sowie die wachstumsorientierten Tech-Werte büßten nach einer maßlosen Überbewertung in 2021 im Jahr 2022 deutlich an Wert ein. Der MDAX lag zum Jahresende 28,5 % tiefer, der TecDAX 25,5 % und der Nasdaq 100 knapp 33 %. Aufgrund des Ukraine-Kriegs, der Wirtschafts- und Immobilienkrise in China, der wachsenden Inflation und der stark gestiegenen Zinsen sowie vor dem Hintergrund des großen Bullenmarkts seit 2009 hielten die Bewertungsabschläge in Grenzen. Seit Anfang Oktober wuchs sogar die Zuversicht bei den Investoren wieder, dass die Inflation ihren Höhepunkt in den USA erreicht hat und die Rohstoffkrise in Europa durch große Entlastungspakete der Regierungen die Unternehmen nicht ganz so schlimm treffen wird. Gleichzeitig hatten viele Investoren extrem hohe Cash-Bestände – die Liquiditätsflut der Notenbanken in den letzten 10 Jahren lässt grüßen. Dadurch kam es zu einer Jahresendrallye von Oktober bis Dezember. Erst die Notenbanker der Fed, der EZB und der Bank of Japan ließen mit ihren Worten und Taten  an den Märkten eine vorübergehende Ernüchterung eintreten.    

 

Devisenmarkt und Kryptowährungen

Der Ukraine-Krieg und die darauffolgende Energiekrise belastete den Euro-Kurs ggü. dem US-Dollar. Da die EZB trotz steigender Inflation bis Ende Juni weiterhin Anleihen ankaufte und die Zinsen erst im Juli langsam anhob, kam der Euro erheblich unter Druck und markierte im September mit 0,95 USD pro EUR ein neues 20-Jahres-Tief. Anschließend verstanden die EZB-Politiker den Ernst der Situation und kündigten größere Zinsschritte an. Gleichzeitig nahm der Inflationsdruck in den USA langsam ab, sodass der EUR/USD-Kurs sich bis zum Jahresende wieder auf 1,07 erholte.

Der Kryptomarkt musste 2022 ordentlich Federn lassen. Die steigenden Zinsen der Notenbanken veranlassten die Investoren dazu, Bitcoin & Co. abzustoßen und wieder in Zinsprodukte zu investieren. Der Bitcoin-Kurs (in EUR) rutschte 2022 ca. 62 % ab, der Ethereum-Kurs brach um ca. 65 % ein und viele kleine Coins wie Cardano oder Solana verloren mehr als 80 %. Damit wird mal wieder bestätigt, dass Kryptowährungen reine Spekulationsobjekte ohne inneren Wert sind.

 

Rohstoffmärkte   

Der Rohstoffmarkt spielte 2022 ab dem Zeitpunkt des Ukraine-Kriegs teilweise völlig verrückt. Abgesehen von den großen Preisschwankungen bei Industriemetallen wie Nickel oder bei Lebensmitteln wie Weizen lag der Fokus bei den Marktteilnehmern auf den Energiepreisen. Der Brent-Oil-Preis bewegte sich von Ende Februar bis Ende Juli dauerhaft über 100 $, trotz eines starken US-Dollars. Dies übte weltweit nochmals viel Druck auf die bereits steigenden Inflationsraten aus. Auch der Gaspreis explodierte, insbesondere nachdem Russland die Gasexporte nach Europa immer weiter drosselte. Die gestiegenen Gaspreise führten auch an den europäischen Strombörsen zu Kursexplosionen, bei denen sich der Strompreis zeitweise verzehnfachte. Im vierten Quartal beruhigte sich die Situation wieder, aber die Energiepreise dürften für die europäischen Konsumenten nachhaltig deutlich erhöht bleiben.

Der Goldpreis profitierte von den zahlreichen Unsicherheiten bzgl. Inflation, Krieg und Wirtschaftskrise in China. Angetrieben von der Nachfrage aus Asien stieg der Preis in Euro von 1.606 EUR am Jahresanfang auf 1.700 EUR am Jahresende. Bemerkenswert ist, dass seit den Finanzsanktionen gegen Russland sehr viel physisches Gold von asiatischen Ländern, insbesondere China, aufgekauft wurde. Der große, nachhaltige Preissprung blieb aber zunächst aus, da mit steigenden Zinsen viele Investoren aus den USA und Westeuropa Gold aus ihren Depots warfen. Falls der Zinsdruck 2023 nachlassen und die Nachfrage aus Asien anhalten sollte, könnte 2023 für Investoren ein „goldenes Jahr“ werden.

 

Ausblick 2023

Der Jahresstart verlief für den DAX sehr euphorisch. Bereits in den ersten 8 Handelstagen konnte er 1.000 Punkte hinzugewinnen. Die massive Liquidität, die die Notenbanken in den letzten 10 Jahren in die Märkte gepumpt haben, ist immer noch der Haupttreiber für den Anstieg. Über die fundamentale Bewertung muss nicht lange diskutiert werden: Das Wachstum der Realwirtschaft wird 2023 sehr dürftig ausfallen. China steckt bereits in der schwersten Rezession seit vielen Jahren, in Europa herrscht Stagnation aufgrund der historisch hohen Kaufkraftverluste bei den Bürgern und in den USA ist die Sparquote der privaten Haushalte auf das niedrigste Niveau seit Messbeginn gefallen. Interessant werden die Bewegungen am Anleihemarkt sein: Der deutsche Staat wird sich 2023 voraussichtlich 539 Mrd. € am Markt leihen (Neuverschuldung + Refinanzierung) und die Euroländer insgesamt werden auf ca. 1,2 Bio. € kommen. Da nun die EZB als größter Käufer dieser Anleihen wegfällt und ab März sogar ihren Anleihebestand um 15 Mrd. € pro Monat verringert, werden institutionelle Investoren die Lücke füllen müssen. Ob die aktuellen Renditen der Bundesanleihen von 2,1 % bis 2,7 % (Stand 11.01.2023) attraktiv genug sind, darf aufgrund der falkenhaften Aussagen der EZB zur Leitzinsentwicklung angezweifelt werden. Auch der Bilanzabbau der Fed von 95 Mrd. $ pro Monat wird sich längerfristig an den Märkten noch bemerkbar machen. Denn so lange die Inflationsraten über 2 % liegen und der Arbeitsmarkt stabil ist, wird die Fed die restriktive Geldpolitik wohl fortführen. Die Regierungen werden weltweit aufgrund des höheren Zinsniveaus wieder mehr auf ihren Haushalt achten müssen – große Konjunkturpakete wie in den letzten Jahren dürften der Vergangenheit angehören. Fazit: Der Aktienmarkt muss 2023 lernen, auf eigenen Beinen zu stehen und voranzugehen, d.h. ohne Unterstützung der Geldpolitik der Notenbanken und ohne große Wirtschaftsprogramme seitens der Regierungen. Wann der erste „Muskelkater“ am Markt eintritt und wie groß er sein wird, bleibt abzuwarten.

Beitrag weiterempfehlen

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar


Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Hinweise zu unseren Datenschutzbestimmungen

CAPTCHA code