Abschwung an den Immobilienmärkten: Ein Blick auf den US-Markt
Die weltgrößten Immobilienmärkte befinden sich nach einer extremen Boomphase in den letzten 10 Jahren am Wendepunkt. Daher stellt sich die Frage, ob die Märkte nur eine kurze Konsolidierung durchmachen oder dies der Beginn einer langen Abschwungphase ist. Um eine Prognose treffen zu können, müssen die aktuellen Zahlen und Statistiken sowie die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen genauer betrachtet werden. Dabei fällt natürlich ein besonderes Augenmerk auf die USA. Die Marktteilnehmer haben das Platzen der Immobilienblase 2007/2008 und die daraus resultierende gloabale Finanzkrise noch im Hinterkopf. Auch damals stieg die Inflation dynamisch an, sodass die Fed relativ schnell die Leitzinsen anheben musste und die US-Bürger ihre zumeist variablen Hypothekenkredite nicht zurückzahlen konnten. Die Folge waren zigtausende Zwangsversteigerungen und dadurch ein rasant steigendes Angebot bei sinkender Nachfrage. Somit fiel der Preis immer weiter, bis 2011/2012 die Fed mit dem QE-Programm (Ankauf von Staatsanleihen) die langfristigen Zinsen in die Tiefe drückte und die Lage am Immobilienmarkt sich beruhigte. Anschließend entfachte die Fed aufgrund der langfristig expansiven Geldpolitik sogar eine Preisrallye für die kommenden 10 Jahre. Da die Fed nun ihre Geldpolitik restriktiver gestaltet und Zinsen wieder stark gestiegen sind, stellt sich nun die Frage, ob sich das Szenario von 2007/2008 wiederholt und die nächste Blase platzt.
Aktuelle Lage am Immobilienmarkt: In den USA wurde Mitte Juli der wichtige NAHB-Index (Stimmung der Bauherren) für den Monat Juni veröffentlicht. Der Index sank von 67 Punkten im Mai auf 55 Punkte und verfehlte die Erwartungen deutlich (Prognose 66 Punkte). Dies war der niedrigste Wert seit 7 Jahren (Ausnahme April und Mai 2020). Ende Juli wurden dann die Verkaufszahlen für Einfamilienhäuser publiziert, welche ebenfalls enttäuschten. Lediglich 590.000 Häuser wurden im Juni 2022 verkauft. Das sind 17,4 % weniger als noch im Juni 2021. Der Median-Preis der verkauften Häuser lag bei 402.400 $ und damit 12 % niedriger als noch zwei Monate zuvor im April. Der Durchschnittspreis (Mittelwert aller verkauften Häuser) fiel sogar um fast 20 % innerhalb der letzten zwei Monate auf 456.800 $. Um zu verstehen, warum die Kapitalmärkte von diesen Zahlen momentan noch unbeeindruckt sind, muss die Preisentwicklung seit der Corona-Krise betrachtet werden. Die Immobilienpreise sind quasi explodiert. Der Median-Hauspreis betrug im zweiten Quartal 2020 noch ca. 323.000 $ und stieg dann innerhalb von zwei Jahren auf ca. 457.000 $ - ein Anstieg um fulminante 41,4 % (bezogen auf die gesamte USA!). Diese Rallye hatte historische Ausmaße und stellte die Immobilienblase 2007/2008 locker in den Schatten. Daher ist die aktuelle Korrektur mehr als überfällig. Doch hat die Korrektur auch Potential für einen richtigen Abschwung, womöglich sogar einen Crash? Auf den ersten Blick sehen die Vorzeichen nicht gut aus: Die durchschnittlichen 15- bzw. 30-jährigen fixen Hypothekenzinsen liegen aktuell bei 4,26 % bzw. 5 % und damit auf dem höchsten Niveau seit 2009/2010. Zudem steigen die Ausgaben der privaten Haushalte stark an: Die Konsumausgaben aufgrund der Inflation von 9,1 % und die Zinszahlungen auf die ausstehenden Konsumentenkredite (Volumen 4,6 Billionen $) wegen der Leitzinserhöhungen der Fed. Doch bei aller Skepsis dürfen nicht die Faktoren vergessen werden, die den Markt nach oben getrieben haben: Zum einen erhöhten sich die Löhne bzw. Einkommen der Haushalte 2021 um fast 5 % und für dieses Jahr liegt die Prognose ebenfalls bei ca. 5 %. Zum anderen sind die Mietpreise quasi im Gleichschritt mit den Immobilienpreisen durch die Decke gegangen. In einigen Städten ist es aufgrund der hohen Nachfrage soweit gekommen, dass Vermieter Auktionen ins Leben rufen, bei dem der Mieter mit dem höchsten Gebot die Wohnung bekommt. Für einen richtigen Abschwung am Immobilienmarkt braucht es also eine wichtige Voraussetzung: Eine tiefe Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit, sodass Einkommen wegbrechen und aktuell hohen Mieten nicht mehr standhalten können. Aktuell befindet sich die USA zwar in einer technischen Rezession, jedoch sind die US-Arbeitsmarktdaten (noch) sehr robust und die Unternehmensergebnisse zum Großteil solide. Auch die Ausfallraten im Kreditsektor sind trotz gestiegener Zinsen gering. Das liegt vor allem an der Ausgestaltung der Immobilienkredite. Die meisten Darlehen sind nicht mehr wie 2007/2008 variabel, sondern mit fixen Zinsen ausgestattet. Zusammenfassend kann nach aktuellem Kenntnisstand gesagt werden, dass die schlechten Indikatoren am Immobilienmarkt lediglich zu einer Preiskorrektur führen, die die Übertreibungen der letzten zwei Jahre mäßigt. Falls sich die Stagflation jedoch über eine längere Zeit verfestigen sollte und die Fed keine andere Wahl hat, als die Leitzinsen nächstes Jahr auf ein Niveau von 4 % anzuheben und für mindestens ein Jahr in dieser Höhe zu belassen, dann kann es auch einen größeren Preisverfall am Immobilienmarkt geben.
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