Abschwung an den Immobilienmärkten: Aktuelle Situation in China


In China gab es in den letzten zwei Jahrzehnten eine unglaubliche Rallye am Immobilienmarkt. Die Preise sind um den Faktor 10 bis 20 gestiegen, in einigen stark gewachsenen Wirtschaftsregionen sogar noch mehr. In guten Lagen in Shanghai oder Peking werden auch Preise von umgerechnet 20.000 € bis 25.000 € pro Quadratmeter gezahlt, wobei dies sich auf die chinesische Art der Messung der Wohnfläche bezieht, d.h. verbaute Flächen (Innen- oder Außenwände) sowie vorhandener Hausflur und Aufzug bei Eigentumswohnungen werden anteilig in die Wohnfläche miteinbezogen. Der Immobilienboom wurde lange Zeit durch staatliche Konjunkturpakete und fehlende Anlagealternativen für die Chinesen (nur begrenzter Investments im Ausland erlaubt und schlechte Erfahrungen mit heimischen Aktien) befeuert. Zudem ist in China ein Eigenheim gesellschaftlich ein Statussymbol für Wohlstand, vergleichbar mit einem teuren Auto in Deutschland. In dieser langen Boomphase traten immer mehr Immobilienunternehmen am Markt auf, die durch hohe Fremdkapitalaufnahme Immobilien bauten, die sie dann zu hohen Preisen verkauften. Dieser Leverage-Effekt bescherte den Unternehmen immer mehr Kapital von Investoren, das wiederum als Eigenkapital für die nächste große Fremdkapitalaufnahme diente. So legten Unternehmen wie z.B. China Evergrande ein rasantes Wachstum hin. Das spekulative Geschäftsmodell war der kommunistischen Partei ein Dorn im Auge, da es sehr an die Entstehung der Immobilienblase in den USA 2005 bis 2008 erinnerte. Deshalb beschloss die Regierung im letzten Jahr die Regeln zu ändern und verlangte von den Unternehmen deutlich höhere Eigenkapitalquoten. Gleichzeitig wurde auch die Fremdkapitalaufnahme erschwert. Einige Unternehmen wie Evergrande rutschten damit in einen Liquiditätsengpass, sodass sie die Bauunternehmen nicht mehr bezahlen konnten und diese ihre Arbeit an den zu errichtenden Häusern einstellten. Das komplette Geschäftsmodell lag brach und die Bonität sackte ab, sodass eine Refinanzierung auslaufender Verbindlichkeiten nicht mehr möglich war. Der Fall Evergrande (ca. 300 Milliarden $ an Verbindlichkeiten) erschütterte die gesamte Branche und es kam zu Dominoeffekten. Im Zusammenspiel mit den coronabedingten Lockdowns und Wirtschaftsabschwung in den letzten Monaten ging am Immobilienmarkt die Party zu Ende. Die Eigentumsverkäufe sollen dieses Jahr laut der Ratingagentur S&P um ca. 30 % fallen. Dieser Rückgang wäre deutlich größer als in der Finanzkrise 2008 mit 20 %. Die Problematik liegt in dem aktuellen Baustopp und dem verloren gegangenen Vertrauen in die Immobilienunternehmen, denn die Bürger haben ihre Immobilien bereits im Voraus bezahlt und warten seit Monaten auf die Fortsetzung der Bauarbeiten. Aus Verzweiflung und Frust haben nun einige tausend Bürger die Bezahlungen der Darlehensraten an ihre Banken eingestellt. Die Banken wiederum trifft dies genau zur ungünstigen Zeit: Durch Kreditausfälle einiger Immobilien- und Bauunternehmen haben sie bereits genügend Probleme. Manche regionale Banken sind bereits so in Schieflage geraten, dass sie die Kundeneinlagen eingefroren haben, d.h. hunderttausende Bankkunden schlichtweg nicht mehr an ihr Geld kommen. Diese Maßnahme einiger Regionalbanken schwächt natürlich die Wirtschaft und das Vertrauen in den Bankensektor. Die Parallelen zur Finanzkrise 2008 in den USA sind offensichtlich. Die chinesische Regierung und die PBOC (Chinesische Zentralbank) sollten darauf achten, dass sie die Kontrolle nicht verlieren und die Dominoeffekte nicht immer weiter um sich greifen. Ohne staatliche Interventionen würde in China wahrscheinlich die nächste große Finanzkrise richtig Fahrt aufnehmen und die globale Wirtschaft in Schwierigkeiten bringen. Der Immobilienmarkt würde dann natürlich kollabieren. Da die Staatsmacht in China jedoch weitreichend in die Wirtschaft eingreifen kann und dies in den Krisen der letzten Jahrzehnte immer wieder unter Beweis stellte, ist zu erwarten, dass auch in der aktuellen Situation die kommunistische Partei die involvierten Banken und die Millionen chinesischer Häuslebauer im Notfall massiv mit finanziellen Hilfen unterstützen wird.

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